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Was darf man wissen?

(NZZ – INLAND – Samstag/Sonntag, 1./2. Dezember 2001, Nr. 280, Seite 18)

Referate zur Privacy-Debatte in Zürich

hof. Wie umfassend ist der Schutz der Privatsphäre? Und wie viel müssen die Bürger von sich preisgeben? Auf Einladung der Progress Foundation und des Liberalen Instituts haben am Donnerstag in Zürich zwei Rechtsprofessoren die Kerne der Privacy-Debatte, die in Zeiten allgemeiner Verunsicherung neue Brisanz erhält, herausgeschält.

Von sich wolle man nichts preisgeben, aber über den anderen wolle man alles wissen, sagte Richard A. Epstein, Professor an der Universität von Chicago. Rechtlich gehe es darum, im «Handel» zwischen Geheimnis und Transparenz einen sozialverträglichen Kompromiss zu finden. Ausgetauscht würden Rechte: «Wie im Sozialvertrag sind wir dazu aufgefordert, Rechte aufzugeben, um grössere Sicherheit für die bleibenden Freiheiten zu erhalten.» Epstein verglich das Recht auf Privatheit mit dem Recht auf Eigentum: Privateigentum und der freiwillige Austausch seien die hauptsächlichen Prinzipien sozialer Organisation.

Übertragen auf die Privatheit und den Austausch von Informationen, plädierte Epstein für den grundsätzlich freien Fluss von Informationen. Lediglich der Missbrauch gehöre bestraft. So sei es unsinnig, dass es dem Arbeitgeber untersagt sei, dem Arbeitnehmer gewisse Fragen, zum Beispiel zur Gesundheit, zu stellen. Er werde versuchen, die Information auf anderen Wegen zu erhalten, sagte Epstein. Für beide Seiten sei es vorteilhafter, wenn alle Fragen gestellt werden dürften und der Arbeitnehmer das Recht habe, jegliche Information zu verweigern.

Ging Epstein bei der Abwägung von Privatheit und Transparenz also von einem Aushandeln dieser Güter zwischen den betroffenen Parteien aus, stellte der St. Galler Professor Rainer J. Schweizer das Grundrecht auf Selbstbestimmung des Individuums in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Die Selbstbestimmung sei für die Privatheit und die Persönlichkeitsentfaltung grundlegend. Dies bedeute, dass etwa Medienfreiheit, Forscherinteressen oder Staatssicherheit nicht als «a priori vorrangige Interessen» gelten. Schweizer kritisierte die neu erlassene Bundesratsverordnung zur frühzeitigen Erkennung des Terrorismus. Dort werde festgehalten, dass sämtliche Behörden «auf Anfrage jegliche Auskünfte zu erteilen haben». Dabei gehe vergessen, dass der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz selbst in Zeiten des Krieges und des Notstandes «absolute Grenzen» kenne, was die Abweichung von Schutzpflichten betrifft: «Gegenüber hochrangigen dringlichen kollektiven Informationsbedürfnissen bleibt ein Kern des Privatlebensschutzes notstandsfest.»

NZZ 1./2. Dezember 2001, Seite 18

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