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Schulden und Steuern im Schlaraffenland: Es gibt keine schmerzfreien ökonomischen Wunderwaffen gegen die Krise

Im Zuge der Corona-Krise würden diverse falsche Ideen kursieren, wie der Wirtschaft geholfen werden könne, schreibt Gerhard Schwarz in seiner NZZ-Kolumne. Einerseits sei der Ruf nach höheren Staatsausgaben mit der daraus folgenden Staatsverschuldung ein schlechter Weg, weil die hohen Defizite grosse negative Effekte hätten. Anderseits sei die Einführung von neuen Sondersteuern ebenfalls keine gangbare Alternative, weil solche die Wirtschaft keineswegs belebten und zudem die Gefahr bestehe, dass solche Steuern einmal eingeführt, dann nicht mehr abgeschafft würden.

Lesen Sie hier die Kolumne von Gerhard Schwarz auf der Website der NZZ.

KOLUMNE

Schulden und Steuern im Schlaraffenland: Es gibt keine schmerzfreien ökonomischen Wunderwaffen gegen die Krise

In Zeiten der Krise ist die Versuchung gross, durch neue Schulden und Steuern einen einfachen Ausweg aus der Misere zu finden. Wer indes behauptet, Staatsdefizite und Staatsschulden seien kein Problem, lügt sich in die Tasche. Und Sondersteuern tendieren dazu, normal zu werden.

Zu den schlimmen Auswirkungen von Krisen, Kriegen und Pandemien gehören nicht nur die direkten Schäden, sondern auch die falschen Ideen, die sie generieren. Die astronomischen Summen, die weltweit zur Abdämpfung der Folgen des Lockdown und zur Belebung der Wirtschaft eingesetzt werden, lassen die Herzen derjenigen höherschlagen, die Fiskaldisziplin schon immer nicht nur für ein schwieriges Wort, sondern für ein Werk des Teufels hielten. Ohne rot zu werden, behaupten sie, Staatsdefizite und Staatsschulden seien kein Problem. Das habe die veraltete Wirtschaftswissenschaft falsch gesehen. Für andere ist die Verschuldung zwar ein Problem, aber eines, das sich mit höheren oder neuen Steuern lösen lasse.

Grandiose Behauptungen

Dieser Glaube an die Überwindung bewährter Grundsätze erinnert an die Zeit der New Economy in den neunziger Jahren. Damals faselten auch viele von der Aufhebung der ökonomischen Schwerkraft, vielleicht, weil sie darauf hofften, denn die Gesetze der Ökonomie sind unbequem und engen das Leben genauso ein wie jene der Naturwissenschaft.

Glaubte man der ehemaligen Beraterin von Bernie Sanders, Stephanie Kelton, gälte das zumindest für den Staatshaushalt nicht, da der Staat im Gegensatz zu Unternehmen oder Privathaushalten via Notenbank fast unbegrenzt Geld drucken könne. Zwar sieht sie schon irgendwie die Inflationsgefahr, aber ihr will sie nicht mit Geldpolitik, sondern mit Steuererhöhungen beikommen. Sie sollen bei Vollbeschäftigung eine allfällige Überhitzung einbremsen.

Kelton hält ihre Ideen für so neu und grossartig, dass sie von einer kopernikanischen Wende spricht. Dabei sind ihre Ideen zum Teil banal – die USA leben tatsächlich dank ihrer Leitwährung seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse – und zum Teil falsch. Auf kleine Länder und solche ohne eigene Währung trifft ihre Schlaraffenland-Vision nicht einmal in der kurzen Frist zu, auf die lange Frist wird sie auch für die USA nicht gelten. Und ihre grandiose Behauptung, jedes Defizit sei für jemanden gut, wird dadurch aufgehoben, dass es für jemanden schlecht ist. Aber für diejenigen, die mit der Unabhängigkeit der Notenbank, der Schuldenbremse und dem haushälterischen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler schon lange hadern, ist Keltons Modern Monetary Theory eine Erlösung.

Wer ist ein «Krisengewinner»?

Nicht viel besser sind die nun dank dem KOF-Leiter Jan-Egbert Sturm auch in der Schweiz kursierenden Ideen, mit mehr Steuereinnahmen die Staatshaushalte ins Gleichgewicht zu bringen. Steuererhöhungen dienen nicht der Belebung der Wirtschaft, auch nicht solche auf Erbschaften, Vermögen oder Immobilien, selbst wenn von linker Seite gesagt wird, sie seien kaum leistungshemmend. Und neue Steuern für «Krisengewinner» tun dies schon gar nicht, abgesehen davon, dass die Abgrenzung fast unmöglich ist. Ist jedes Unternehmen, das 2020 zulegt, ein Krisengewinner, oder befand es sich vielleicht unabhängig von der Corona-Pandemie auf einem Wachstumspfad?

Vor allem aber zeigt die Erfahrung, dass Sondersteuern, auch wenn man sie nur temporär erheben will, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Eigenleben entwickeln und nicht mehr wegzubringen sind. Die Schweiz führte im Zweiten Weltkrieg die Warenumsatzsteuer, die Wehrsteuer und die Verrechnungssteuer ein. Alle drei Steuern gibt es immer noch, die erste transformiert zur Mehrwertsteuer, die zweite als direkte Bundessteuer. Einfache Auswege aus der Krise sind eine Illusion. Die Rezepte, nicht zu viel auszugeben, die Bevölkerung nicht zu stark zu belasten und zu sparen, um in der Not Mittel zur Verfügung zu haben bzw. um Schulden abzubauen, mögen altmodisch tönen. Sie sind aber realistischer als die heterodoxen Träume von fast schmerzlosen Wunderwaffen.

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