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Warum das Klimaschutzgesetz gegen den Geist der Aufklärung verstösst

Das Klimaschutzgesetz, über das die Schweiz am 18. Juni abstimmt, ist mehr als ein ordnungspolitisches ein staatspolitisches Ärgernis, auch wenn es hehre Ziele formuliert. Es wird dem Volk nämlich kein reiner Wein eingeschenkt, wie unrealistisch die Zielerreichung ist und welche direkten und indirekten Kosten dadurch entstünden.

Gerhard Schwarz, Nzz.ch, 16.05.2023

Das Klimaschutzgesetz will die Gletscherinitiative verhindern – hält sich aber zu den Details bedeckt. (Bild: Weisse Tücher sollen den Rhonegletscher vor der Sonneneinstrahlung schützen.)

Gegner sprechen vom Stromfresser-, Befürworter vom Klimaschutzgesetz. In beiden Schlagworten steckt ein Körnchen Wahrheit. Gemeint ist das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» (inklusive Impulsprogramm Heizungsersatz), über das die Schweiz am 18. Juni abstimmen wird.

Das Gesetz ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Sie wurde von den Proponenten bedingt zurückgezogen. Wird das Gesetz angenommen, ist die Initiative vom Tisch, wird es abgelehnt, kommt die Initiative vors Volk.

ANGST VOR DER ÄCHTUNG

Mit einem Gesetz zu hadern, das in der Schweiz bis 2050 gemäss dem Pariser Klimaabkommen den Ausstoss klimaschädlicher Gase auf null senken will, setzt einem ohne Grund sofort dem Verdacht aus, man möchte am liebsten nichts für das Klima tun. Angst vor solcher Ächtung erklärt wohl zum Teil auch die breite Unterstützung für das Gesetz, vom Bundesrat über die grossen Parteien (ausser der SVP) bis zum Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, obwohl das Gesetz mit seinen detaillierten Richtwerten stark nach Planwirtschaft riecht.

Auch sträuben sich bei Subventionen von 3,2 Milliarden Franken über zehn Jahre jedem Liberalen die Haare, zumal angesichts der zu erwartenden Mitnahmeeffekte. Hausbesitzer, die ihre Heizung ersetzen wollen, werden sich die Hände reiben, dass ihnen das aus Steuermitteln versüsst wird.

AUCH UMWELTSCHÜTZER MÜSSEN ZAHLEN

Und dass man sich nach dem Scheitern des CO2-Gesetzes vor zwei Jahren nicht traut, auf Lenkungssteuern zu setzen, führt weg vom Verursacherprinzip. Es zahlen nicht nur die Vielfahrer und Vielflieger, sondern via Steuern auch die, die sich umweltbewusst verhalten.

Doch mehr als die ordnungspolitischen Verstösse machen die staatspolitischen Verirrungen Bauchweh. Erstens ist der Titel irreführend euphemistisch. Hinter der «Innovation» verstecken sich Bundessubventionen für Technologien von zweifelhaftem Nutzen.

DRASTISCH MEHR STROM NÖTIG

Und die Energiesicherheit? Das Gesetz erhöht den Elektrizitätsbedarf massiv, ohne zu zeigen, woher der Strom kommen soll (nämlich unweigerlich auch von Kernkraftwerken).

Zweitens wird wieder einmal eine radikale Forderung – hier ein absolutes Verbot fossiler Brennstoffe – abgewehrt, indem man den Initianten weit entgegenkommt. Diese erreichen so ihr wahres, vielleicht ohnehin gemässigteres Ziel rascher als mit der Initiative. Ausserdem müssen sie nicht die Hürde des Ständemehrs fürchten. Der Rückzug der Initiative zeigt die Zufriedenheit der Initianten.

DAS PREISSCHILD FEHLT

Besonders stossend ist, drittens, dass das Gesetz hehre Ziele postuliert, jedoch fast nichts über Kosten, Massnahmen, Nachteile und Realisierbarkeit sagt. Wenn ein Gesetz die Erhöhung des Wohlstands oder des Glücks forderte – wer wäre nicht dafür? So ähnlich ist es hier. Und niemand weiss, was die Politik aus dem Gesetz machen wird.

Projekte, die nur die Ambition und das Wollen adressieren, nicht das Können, bei denen also abgesehen von den Subventionen das Preisschild fehlt, widersprechen dem Gedanken der Aufklärung. Sie verführen das Volk dazu, die Realität zugunsten von Idealen beiseitezuschieben.

Gerhard Schwarz war Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion und ist heute Präsident der Progress Foundation.

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