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Noch unter einen Hut zu bringen?

(NZZ – INLAND – Donnerstag, 25. April 2002, Nr. 95, Seite 16)

Freiheit und Sicherheit nach dem 11. September

am. Dass das Liberale Institut und die Progress Foundation ihre 16. Economic Conference in Zürich dem Thema Freiheit und Sicherheit gewidmet haben, erstaunt nicht. Seit dem 11. September wird über die beiden Werte und ihre komplexe Beziehung wieder vermehrt diskutiert. Zum einen bedingen sich Freiheit und Sicherheit gegenseitig, da Freiheit ohne das Gefühl einer gewissen Sicherheit de facto keine Freiheit mehr ist. Zum anderen besteht eine Antinomie, die zum Tragen kommt, sobald das Sicherheitsdenken ein gewisses Mass überschreitet und in freiheitsbeschränkende Massnahmen mündet.

Notwendige Prioritätenbildung

Im Vordergrund steht zurzeit eher der antagonistische Aspekt, der sich in der Frage konkretisiert, wie die freie Welt vor weiteren tödlichen Terroranschlägen geschützt werden kann, ohne am Ende einem unerträglichen Staatsterror anheim zu fallen. Für den St. Galler Privatbanquier Konrad Hummler ist nicht klar, ob die freie Welt überhaupt in der Lage ist, den Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich zu führen, ohne sich selber dabei in Frage zu stellen. Die zivilisierte Welt sei ja gerade deshalb eine solche, weil sie ihren Bürgern Eigenverantwortung und Freiheit zugestehe. Und just bei dieser Privatsphäre müsse nun die Terrorbekämpfung ansetzen. Wollte man tatsächlich das Bedrohungspotenzial von Terroristen möglichst auf Null setzen, laufe dies auf einen weltweiten Polizeistaat erster Güte hinaus, womit sich die freie Welt gleichselber abgeschafft hätte.

Im Bewusstsein dieser Gefahr der Selbstzerstörung plädiert Hummler dafür, das Ziel der Terrorbekämpfung äusserst eng zu definieren und klare Prioritäten zu bilden. Insbesondere dürfe die Tatsache, dass der Terrorismus gewissermassen ubiquitär sei, nicht dazu verleiten, den Informationsbeschaffungs- und Verfolgungsauftrag zu extensiv zu interpretieren – was allerdings bereits geschehe. Damit wende sich das System, je nebensächlicher die Delikte seien, immer mehr gegen die eigenen Bürger, was dem Kampf gegen den Terrorismus letztlich schade. Symptomatisch das Beispiel Deutschlands, wo Mittel des Bundesnachrichtendienstes zur Verfolgung von Steuersündern eingesetzt würden, während man es gleichzeitig verpasse, in Hamburg und in Frankfurt die wichtigsten Zellen von al-Kaida ausserhalb der USA aufzudecken. Gefährlich aber auch die Entwicklung in den USA, wo hundert Angestellte eines Pharmazulieferers entlassen worden seien, nachdem sie bei einem Anti-Terror-Sicherheitscheck auf Grund ihrer «kriminellen Vergangenheit» (meist irgendwelche Bagatellfälle) als Sicherheitsrisiko eingestuft worden seien.

In Korrelation zur engen Definition der Terrorbekämpfung müssten die mit dem Mandat betrauten Instanzen nach Hummlers Ansicht mit dem höchsten denkbaren Anspruch auf Ausübung des Gewaltmonopols ausgestattet sein – als Voraussetzung, um erfolgreich operieren zu können. Der ganze Rest der «auch noch im öffentlichen Interesse» liegenden Themen, selbst wenn es sich um strafrechtlich relevante Fragen handelt, wäre jedoch aus diesem Vollmachtenregime dringend herauszuhalten, womit sich die Frage nach einer institutionellen Trennung von Terror- und Verbrechensbekämpfung stelle.

«Opec für Politiker»

Im Gegensatz zu Hummlers Ausführungen, die eher den antagonistischen Aspekt im Verhältnis Sicherheit und Freiheit beleuchteten, argumentierte der Präsident der amerikanischen Heritage Foundation, Edwin Feulner, in Analogie zum liberalen Modell der Friedenssicherung, indem er den positiven Ausfluss wirtschaftlicher Freiheit auf die Sicherheit betonte. Das nach den Terroranschlägen neu geschaffene Büro für innere Verteidigung sei zwar notwendig für den Schutz von Freiheit und Sicherheit, aber nicht ausreichend. Vielmehr gelte es, heute mehr denn je, die liberalen Errungenschaften wie Eigentumsrechte, Freihandel und Steuerwettbewerb zu fördern. Den Informationsaustausch, für den nun auch unter dem Vorwand der Sicherheit (Terrorfinanzen) geworben wird, entlarvte Feulner in diesem Zusammenhang als reinen Versuch, ein weltweites Steuerkartell zu errichten. Diese Art «Opec für Politiker» gelte es zu verhindern – zum Schutze der Freiheit und damit auch der Sicherheit.

NZZ 25. April 2002, Seite 16

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