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Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

(NZZ – DOSSIER • SACHBUCH – Freitag, 27. Juli 2007, Nr. 172, Seite 57)

Zwei Bücher beleuchten eine vernachlässigte wirtschaftliche Dimension

Wie wirkt Vertrauen in Wirtschaft und Gesellschaft, wie kann es gefördert werden, und wie wird es zerstört? Zwei Bücher widmen sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven.

Oft wird ein zunehmender Vertrauensverlust beklagt. Im Vordergrund steht Misstrauen gegenüber Politikern, Managern und Experten. Dass Vertrauen mächtige Wirkungen entfalten kann, ist ebenso unbestritten wie der Umstand, dass die simple Forderung nach mehr Vertrauen ohne Ergebnis bleiben wird. Wie wirkt Vertrauen, wie entsteht es, und wie geht es verloren? Das sind die Klammern von zwei Büchern zum Thema. In einem von Gerhard Schwarz, dem Leiter der Wirtschaftsredaktion der NZZ, herausgegebenen Sammelband steht der Zusammenhang zwischen Vertrauen und der Gesellschaftsordnung im Vordergrund, während Margit Osterloh und Antoinette Weibel von der Universität Zürich Vertrauen in Unternehmen thematisieren.

Zwischen Rationalität und Emotion

Sechzehn Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen, sowohl Wissenschafter wie Praktiker, finden im Sammelband ihren je eigenen Zugang zur Thematik. Entsprechend vielfältig sind die Ergebnisse und Perspektiven. Dem düsteren Bild einer Misstrauensspirale von Guy Kirsch setzt Hans Haumer den Zukunftsentwurf einer Vertrauens- Gesellschaft entgegen. In ökonomischer Hinsicht verringert Vertrauen Unsicherheit und Kosten, baut Komplexität ab und ermöglicht zusätzliche Transaktionen (Theresia Theurl). Dabei zeigt sich, dass das rationale Kalkül allein zu kurz greifen kann und emotionale Dimensionen zu berücksichtigen sind (Erich Kirchler). Verzichten die Tauschpartner auf die Verletzung von Vertrauen, können gegenseitige Altruismus-Beziehungen eine Spirale des Vertrauens ermöglichen (Tanja Ripperger). Durch Vertrauen entsteht so zusätzliches Vertrauen. Dabei sind manche wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bereiche besonders auf Vertrauen angewiesen, etwa die Geldpolitik (Thomas Jordan), die Regulierung des Finanzsektors (Eugen Haltiner), die Wirtschaftsprüfung (Peter Athanas) und die Unternehmensführung (Max Amstutz).

Kann Kontrolle durch Vertrauen ersetzt werden und umgekehrt, oder braucht es doch beides? Nicht nur für wirtschaftliche Beziehungen stellen sich diese Fragen, sondern auch in der Medizin (Johann Steurer) sowie in der Beziehung zwischen Rechtsanwalt und Klient (Peter Hafter). Überlebensentscheidendes Vertrauen im Alpinismus (Oswald Oelz), der Instinkt des Vertrauens in der Medienarbeit (Ignaz Müller) oder das bedingungslose Vertrauen in Gott (Andreas Batlogg) sind weitere Aspekte, die von den Autoren aufgegriffen werden. Dass Vertrauen eine kulturelle Dimension hat und dass es zur Entwicklung von Gesellschaften beiträgt, wird in den Beiträgen von Urs Schoettli über Netzwerke in asiatischen Gesellschaften und von Gerhard Schwarz über die Komplementarität von Freiheit und Vertrauen sehr deutlich.

Hilfestellungen für Unternehmen

Hat man sich konkreten Vertrauensproblemen in Unternehmen zu stellen, will man Hilfestellungen zum Aufbau von Vertrauen erhalten und aus einschlägigen Erfahrungen lernen, sollte man zum Buch von Margit Osterloh und AntoinetteWeibel greifen. Gut strukturiert und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Vertrauensforschung werden dort die Möglichkeiten ausgelotet, in Beziehungen zwischen Individuen und innerhalb bzw. zwischen Organisationen eine besondere Investition zu tätigen, nämlich jene in Vertrauen. Unterschiedliche Vertrauensarten, ihre Determinanten und ihre Dynamik werden vorgestellt, abhängig vom Kontext, von der erlebten Vertrauenswürdigkeit und von gemeinsam geteilten Werten. Auch hier wird der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Kontrolle aufgegriffen. Vertrauen und Fairness werden zueinander in Beziehung gesetzt und die Bedeutung von Vertrauen bei der Führung von Mitarbeitern herausgearbeitet. Dies mündet schliesslich in der Ableitung eines neuen Corporate-Governance-Modells.

Interessante Fallbeispiele

Die interessanten Fallbeispiele, sei es zum Aufbau von Vertrauenskapital bei Toyota oder zur Bedeutung der weichen Faktoren bei der Open- Source-Software, sind besonders hervorzuheben. So wird etwa auf dieser Ebene sehr gut veranschaulicht, wie die häufig für den Vertrauensverlust angeklagte steigende Virtualität gerade neue Formen von Vertrauen schaffen kann.

Anne Saxe


Gerhard Schwarz (Hrsg.): Vertrauen – Anker einer freiheitlichen Ordnung. NZZ Libro, Zürich 2007. 183 S., Fr. 48.–.
Margit Osterloh / Antoinette Weibel: Investition Vertrauen – Prozesse der Vertrauensentwicklung in Organisationen. Gabler- Verlag, Wiesbaden 2006. 314 S., Fr. 68.–.

NZZ Freitag, 27. Juli 2007, Seite 57

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