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Ohne politisches Gerangel geht es nicht

(NZZ – Reflexe – Freitag, 9. Oktober 2020, Seite 25)

Thomas Jordan verteidigt seine Geldpolitik

Thomas Fuster · Was ist gutes Geld? Diese prinzipielle Frage hat sich Thomas Jordan an einer Konferenz der Progress Foundation gestellt. Dass der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) dabei zum Schluss kam, der Franken sei gutes Geld, dürfte kaum überraschen. Jordan machte aber auch klar, dass diese Qualifizierung keineswegs eine Selbstverständlichkeit darstellt. «Gutes Geld ist eine fragile Errungenschaft und deshalb grundsätzlich immer gefährdet», sagte er.

Leider trifft diese Warnung derzeit in besonderem Masse zu. So muss man auf der Suche nach Gefahrenherden nicht in die Ferne schweifen. Es reicht der Blick nach Bundesbern. Dort entdeckt eine wachsende Zahl von Parlamentariern die SNB als Finanzierungsquelle für ihre Begehrlichkeiten. Die einen fordern massiv höhere Ausschüttungen von Notenbankgewinnen, um die kantonalen Haushalte zu entlasten. Die anderen propagieren, mit Aktiven der SNB einen Staatsfonds zu alimentieren, um die Altersvorsorge abzusichern. Ermutigt fühlen sich beide Gruppen durch ausländische Notenbanken, die sich zusehends unkritischer in den Dienst der Politik stellen. Ein warnendes Beispiel ist die Bank of England, die den Staat direkt finanziert. Aber auch andernorts vermischen sich die Verantwortlichkeiten für Geldpolitik (Aufgabe der Notenbanken) und Finanzpolitik (Aufgabe der Regierungen) immer stärker.

In der Schweiz sind diese Grenzen glücklicherweise noch erkennbar. Zwar sähen es zahlreiche Politiker gern, wenn ihre Wünsche mit der Notenpresse unkompliziert erfüllt würden. Jordan lehnte bei seinem Auftritt höhere Gewinnausschüttungen aber ebenso ab wie einen Staatsfonds aus Mitteln der SNB. Solches Gerangel ist zu begrüssen. Es zeigt, dass die Notenbank ihre politische Unabhängigkeit lebt. Beunruhigt sein muss man erst, wenn Bundesbern und SNB plötzlich nur noch lobende Worte füreinander finden. Die Interessen der Politik (kurzfristige Stimulierung der Wirtschaft) und der Notenbank (langfristig wertstabiles Geld) sind zu verschieden, als dass Harmonie ein gutes Zeichen wäre. Gutes Geld will erkämpft sein.

NZZ 9. Oktober 2020, Seite 25

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