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Was ist gutes Geld?


(Weltwoche)

Nationalbankpräsident Thomas Jordan wehrt sich gegen neue Ansprüche an die Geldpolitik.

Von Beat Gygi

Was macht gutes Geld aus? Zu dieser Frage, die ins Zentrum des wirtschaftlichen Nervensystems zielt und heute so brennend und umstritten ist wie kaum je zuvor, hat Thomas Jordan kürzlich Brisantes gesagt. Der Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) legte an einem Anlass der Progress Foundation zunächst dar, gutes Geld sei eine fragile Errungenschaft und deshalb grundsätzlich immer gefährdet, und in den vergangenen Jahren habe in breiten Kreisen die Sorge erheblich zugenommen, «dass unser gutes Geld schlecht werden könnte».

Aber sogleich fügt er an, «dass der Wert des Geldes nie so stabil war wie in den letzten zwanzig Jahren». Hört man richtig? Geld, so Jordan, sei dann gut, wenn es als Tauschmittel breit akzeptiert und als Recheneinheit wie auch als Wertaufbewahrungsmittel geeignet sei, zum Erhalt des realen Werts finanzieller Ansprüche beitrage. Wie belegt er diese jüngst ausserordentlich hohe Wertbeständigkeit des Frankens? Mit dem Landesindex der Konsumentenpreise. Dieser sei wenig gestiegen, die Kaufkraft der Konsumenten sei hoch geblieben.

Und was sagt er zu all der Kritik an der extrem lockeren Geldpolitik der tonangebenden Notenbanken, einschliesslich der SNB, zu den Vorwürfen, sie würden mit ihren Wertpapierkäufen sowie Nullzinsen die Wirtschaft manipulieren, den Märkten die Orientierung nehmen? Jordan erwähnt es nicht. Ein wichtiger Teil seiner Leistung als Präsident ist, die Nationalbank davor zu schützen. Mit unerschütterlicher Beharrlichkeit vertritt er die Haltung, der zentrale Erfolgsindikator sei der Konsumentenpreisindex, gemäss Mandat zur Preisstabilität, und man sei auf Kurs. Daneben gilt für ihn die Unabhängigkeit der Notenbank. Seine nüchterne Ausdrucksweise und sein grosser Körperbau helfen ihm, bei Auftritten, in Diskussionen bestimmte Themen zu verdrängen.

Aber die Angriffe auf die SNB werden intensiver. Die Geldschwemme fliesst in Immobilien, Luxusgüter, Aktien, Edelmetalle oder Kunst und führt da zu Vermögenspreisinflation; viele wollen die Nationalbank auch für diese Resultate in die Verantwortung nehmen. Sparer und Vorsorgeeinrichtungen lehnen sich gegen die Negativzinsen auf. Und die durch die Wechselkurspolitik zugunsten der Exporteure auf fast eine Billion Franken angeschwollene SNB-Bilanz, eigentlich Volksvermögen, weckt bei vielen Leuten Begehrlichkeiten. Daneben wollen Umweltinteressengruppen der SNB beim Investieren Nachhaltigkeitsvorschriften machen, und jüngst gab es «genderistische» Sticheleien gegen die Personalpolitik. Und Jordan? Es passt zu seinem Temperament, dass er vor unbedachten Eingriffen in eine historisch gewachsene Ordnung warnt.

Ruag durchgewirbelt

Der Rüstungskonzern Ruag bekommt die Corona-Krise mit Wucht zu spüren, da Fertigung und Dienstleistungen für private Kunden in der Luftfahrtindustrie eingebrochen sind. Zu Wochenbeginn hat Ruag International nun den Abbau von 150 Stellen angekündigt. Das Vorkrisenniveau in der Luftfahrt dürfte laut den Angaben frühestens 2024/25 wieder erreicht werden. Eine tiefgreifende Transformation sei unumgänglich. Das ist bei einem Industrieunternehmen nicht erstaunlich, aber Ruag ist ein Spezialfall. Anfang 2020 wurde der damalige Rüstungskonzern Ruag aufgespalten in einen Schweizer Bundesbetrieb und einen marktorientierten internationalen Teil.

Die alte Ruag belieferte vorher gut zwanzig Jahre lang als zivil-militärische Kombination sowohl die Schweizer Armee wie auch private Kunden. Es gab dann starke Vermutungen, dass der Armee überhöhte Preise verrechnet wurden, um den zivilen Teil zu subventionieren. Deshalb kam die Entflechtung, bei der man den Verdacht untersuchen wollte. Nun wirbelt die Corona-Krise so vieles durcheinander, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass frühere Fehlleistungen nicht zum Vorschein kommen.

Die Motivation retten

In der jüngsten Krise wurde wieder deutlich, wie wirksam am Arbeitsmarkt automatische Stabilisatoren allzu scharfe Einbrüche dämpfen können. Arbeitslosenversicherung und Kurzarbeit erlauben es, dass Mitarbeiter vorübergehend freigestellt werden, aber ihre Moral und ihr Einkommen nicht verlieren und so den Konsum in Gang halten. Das ist staatlich organisiert, aber privat gibt es ähnliche Ideen. «Ich bin ohne Stelle, aber ich weiss ja, das ist wegen Corona, nicht wegen meiner Leistung», sagt der Arbeitslose. Mit dieser Sichtweise nimmt er viel mehr Motivation mit in die Stellensuche, als wenn er sich den Jobverlust persönlich zuschreiben würde und bei seiner Selbstbewertung quasi einen Abschreiber machen müsste.

Quelle: https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2020-42/diese-woche/beat-gygi-die-weltwoche-ausgabe-42-2020.html

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