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Vom diskreten Charme des Zentralismus


(Badische Zeitung)

Bei einer Konferenz in Zürich diskutierten Sozialwissenschaftler über Gefahren für den Wettbewerbsföderalismus

Von Bernd Kramer

Es gibt Diskussionen, die in der Schweiz anders geführt werden als in der Bundesrepublik. Die Debatte um den Grad des Föderalismus gehört dazu. Das zeigte die Wirtschaftskonferenz der Progress Foundation (Stiftung Fortschritt) in Zürich. Hierzulande hätte man sehr viel stärker auf die Bedeutung einheitlicher Lebensverhältnisse in einem Staat hingewiesen. Auch wäre mit Bestimmtheit in großem Maße über Gefahren geredet worden, die ein System mit sich bringt, in dem Gemeinden und Kantone über die Höhe von vielen Steuersätzen selbst entscheiden können – einem Kernpunkt des Schweizer Föderalismus. Das deutsche Pendant ist unterschiedlich strukturiert. Ob in Stuttgart, Gütenbach oder Flensburg – überall gilt der gleiche Einkommensteuertarif, über den Bund und Länder entscheiden. Bund, Länder und Gemeinden teilen sich die Einnahmen dann nach einem festen Schlüssel auf.

Für Gerhard Schwarz, früherer Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung und heutiger Präsident der Progress Foundation, wäre solch ein Ansatz nur schwer zu verdauen. Nach seiner Einschätzung ist es eine Voraussetzung für staatliche Effizienz, wenn Gemeinden und Kantone über Höhe und Verwendung ihres Steueraufkommens selbst entscheiden können. Verlangt eine Gemeinde oder ein Kanton sehr hohe Steuern und bietet im Gegenzug Unternehmen und Bürgern keine guten Dienstleistungen, werden Firmen und Bewohner abwandern. Dies würde die finanzielle Lage weiter verschlechtern. Deshalb, so die Argumentation, sind die Gemeinden und Kantone dazu gezwungen, die Mittel effizient im Sinne von Wirtschaft und Gesellschaft einzusetzen und dabei sparsam mit dem Geld der Bürger umzugehen. Dies sei einer der Vorteile des Wettbewerbsföderalismus, sagt der Journalist.

Allerdings sieht Schwarz diese Art des Föderalismus unter Druck – und das nicht nur in der Schweiz. Belege dafür lieferte der Politikwissenschaftler Jonathan Rodden, Professor an der kalifornischen Eliteuni Stanford. Er sagte, dass Gemeinden und Bundesstaaten in den USA wie in der Schweiz viele Steuerkompetenzen hätten. Allerdings würden die Rufe nach einer stärkeren Zentrale, die umverteilt, deutlich lauter. Die Stimmen kämen vor allem von der rechten Seite des politischen Spektrums, das seine Hochburgen in ländlich strukturierten und deindustrialisierten Regionen der USA habe. Dort habe sich die Wirtschaft und damit auch das Steueraufkommen im Vergleich mit den städtischen Zentren in den vergangenen Jahren schlechter entwickelt. Als Folge wachse der Anteil der staatlichen Transferempfänger an der Bevölkerung auf dem Land. Um die eigenen Ansprüche zu erfüllen, wolle man dort mehr Geld von außen, auch wenn dies mit dem Verlust lokaler Autonomie einhergehe. In boomenden urbanen Gegenden sei dagegen der Wunsch ausgeprägt, weiter möglichst selbstbestimmt handeln zu können. Rodden sprach deshalb von einer „geographischen Polarisierung“ auch im Zusammenhang mit der Föderalismus-Debatte.

Schweizer Ökonom warnt vor globaler Mindeststeuer

Georg Vanberg, Politik-Professor an der renommierten US-Universität Duke, befürchtet, dass sich die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger angesichts der Hilfsprogramme im Zuge der Corona-Pandemie verändert hat. Hohe Geldsummen seien von den staatlichen Stellen geflossen, zusätzliche Schulden der öffentlichen Haushalte hätten kaum eine Rolle gespielt. Der Grundsatz, dass Ausgaben auch entsprechende Einnahmen gegenüberstehen müssen, sei außer Kraft gesetzt worden. Aufgrund dieser Erfahrung werde die Bevölkerung wohl auch in Zukunft davon ausgehen, dass die Zentralregierung in der Hauptstadt jedes Problem mit einem auf Kredit finanzierten Scheck löse. Dies könne auf Dauer jedoch nicht gutgehen und würde einen dezentralisierten Staatsaufbau unterminieren.

Der Luzerner Ökonom Christoph Schaltegger warnte vor den aus seiner Sicht langfristigen Schäden einer internationalen Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 15 Prozent auf Gewinne. Sie wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) propagiert und soll dazu dienen, unfairen Steuerwettbewerb zu verhindern, wie die OECD sagt. Der Schweizer Bundesrat hat der Steuer zugestimmt. Schaltegger sieht den Mindeststeuersatz jedoch als Ausdruck eines Staatenkartells, das unliebsame Konkurrenz bei Industrieansiedlungen aus dem Weg räumen will. Nun werde der geplante Mindeststeuersatz zu keinen „tektonischen Verschiebungen“ führen und den Niedrigsteuer-Standort Schweiz nicht gefährden.

Schaltegger rechnet aber damit, dass die Mindeststeuer von 15 Prozent nur ein erster Schritt ist. Nach und nach werde der Mindeststeuersatz seiner Prognose nach erhöht und der Steuerwettbewerb auf internationaler Ebene ausgehöhlt.


Quelle: https://www.badische-zeitung.de/vom-diskreten-charme-des-zentralismus

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