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Wörter sind nie unschuldig

(Nzz.ch, 14.06.2022)

Alternativen für den Begriff «Kapitalismus» sind gefragt

Es ist den Gegnern einer freiheitlichen Ordnung gelungen, treffende Umschreibungen der freien Wirtschaft zu diffamieren. «Kapitalismus» und «Marktwirtschaft» haben vielfach einen negativen Beigeschmack. Alternativen wie «Privatrechtsgesellschaft» oder «offene Gesellschaft» umschreiben den Kern einer liberalen Ordnung.

Gerhard Schwarz

Friedrich August von Hayek, ein Verfechter des freiheitlichen Wirtschaftens, bevorzugte den Begriff «Katallaktik». Bild: Wikipedia

Es ist wohl eine Berufskrankheit, dass mich die richtige Wahl von Begriffen fasziniert. Je nachdem, wie man ein und dieselbe Sache bezeichnet, setzt man unterschiedliche Schwerpunkte, rückt andere Eigenschaften ins Zentrum. Wörter sind nie unschuldig. Man macht mit ihnen Politik und weckt Emotionen. Wie sollen Liberale die Wirtschaftsordnung, die sie anstreben, also nennen? «Kapitalismus» trifft es nicht schlecht, doch ist es den Sozialisten gelungen, den Ausdruck so negativ zu belegen, dass viele Anhänger des Kapitalismus es nicht wagen, ihn so zu bezeichnen, obwohl wir ihm Wohlstand und Fortschritt verdanken. Seine Erfolge beruhen darauf, dass er die Akkumulation von Kapital nicht nur zulässt, sondern sogar fördert.

Während man daher in den USA fast ohne Hemmung von Kapitalismus spricht, wird in Europa der Ausdruck «Marktwirtschaft» vorgezogen. Doch selbst er hat einen negativen Beigeschmack erhalten, weil es den Linken gelungen ist, den Ausdruck madig zu reden. Der Markt könne nicht alles richten, heisst es. Das ist richtig – und darum behauptet es auch niemand; trotzdem erfreut sich der Vorwurf des Marktfundamentalismus erstaunlichen Zuspruchs. Einige weichen daher auf «Wettbewerbswirtschaft» aus, nur um zu merken, dass der Wettbewerb zwar in Spiel und Sport geschätzt wird, kaum jedoch im Wirtschaftsleben.

Andere wollen der Marktwirtschaft ihren angeblichen Stachel mittels Adjektiven ziehen, etwa mit den Begriffen einer «sozialen», «humanen» oder «ökologischen» Marktwirtschaft. Sie verwenden die Adjektive unterscheidend, während sie für Liberale beschreibender Natur sind: Nach ihrer Ansicht löst die Marktwirtschaft nicht alle Probleme, ist aber sozialer, humaner und ökologischer als die Alternativen.

Ein wenig haben Liberale mit dem Gegensatzpaar «Marktwirtschaft – Planwirtschaft» selbst zum Begriffswirrwarr beigetragen. Selbstverständlich wird nämlich in der Marktwirtschaft auch geplant, in jedem Haushalt, jedem Unternehmen. Nur erfolgt die Planung nonzentral statt, wie im Gegenmodell, zentral. Liberale sympathisieren also immer mit dezentralen Strukturen, in der Wirtschaft wie in der Politik. «Dezentralwirtschaft» wäre daher eine zwar sperrige, aber durchaus treffende Bezeichnung einer marktlichen Ordnung.

Mir persönlich gefallen zwei andere Begriffe gut. Der eine ist die «offene Gesellschaft» im Sinne Karl Poppers. Da stecken der Antifeudalismus und die Aufstiegschancen drin, die Absage an Utopien, der Antiprotektionismus (ohne unkontrolliert offene Grenzen für Zuwanderung), die Zukunftsoffenheit. Ähnlich treffend ist der Begriff «Privatrechtsgesellschaft».

Friedrich von Hayek hat für ein selbstorganisierendes System freiwilliger Zusammenarbeit den aus dem Griechischen abgeleiteten Terminus «Katallaktik» vorgeschlagen, der sich nie durchgesetzt hat. Aber freie Verträge unter Privaten sind für die Freiheit zentral. Und weil sie vom öffentlichen Recht permanent zurückgedrängt und eingeengt werden, wäre es eigentlich sachgerecht, diesen Aspekt einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mehr zu betonen.

Gerhard Schwarz war Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion und ist heute Präsident der Progress Foundation.

Quelle: https://www.nzz.ch/wirtschaft/gerhard-schwarz-alternativen-zum-begriff-kapitalismus-ld.1688621https://www.nzz.ch/wirtschaft/gerhard-schwarz-alternativen-zum-begriff-kapitalismus-ld.1688621

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