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«… und die Grösse ist gefährlich» – Überlegungen zur neuen Schweizer Super-Bank

Die CS-Krise ruft in Erinnerung, dass Unternehmen, die «too big to fail» sind, in einer Marktwirtschaft einen Fremdkörper darstellen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass sehr grosse Unternehmen generell problematisch sind. Die Grösse verleiht ihnen wirtschaftliche und politische Macht, die einer liberalen Ordnung nicht zuträglich ist.

Gerhard Schwarz, Nzz.ch, 04.04.2023

Der deutsche Ökonom Walter Eucken (1891 bis 1950), Vater der Ordnungspolitik.

Selten war in der wirtschaftspolitischen Diskussion so viel von Ordnungspolitik die Rede wie nach der «Rettung» der Credit Suisse durch eine konzertierte Aktion von Bundesrat, Nationalbank, Finma und UBS. Das ist erfreulich. Es wäre gut, in der Wirtschaftspolitik wäre der ordnungspolitische Kompass öfter erkennbar. Wie ein Mantra wird von den Verantwortlichen behauptet, die getroffene Lösung sei die am wenigsten schlechte.

Um zu beurteilen, ob das stimmt und sich der ordnungspolitische Sündenfall rechtfertigen lässt, müsste man mehr wissen, als man als noch so aufmerksamer Beobachter wissen kann. Also muss man es einfach glauben. Ebenso vertrauensvoll muss man das Team um Sergio Ermotti und Colm Kelleher nun den eingeschlagenen Weg gehen lassen, soll das schwierige Unterfangen überhaupt eine Chance haben.

WETTBEWERB VOR EIGENTUM

Zwei Betrachtungen seien dennoch erlaubt. Erstens: Wenn man eine Bank nicht in Konkurs gehen lassen kann und zwischen zwei Übeln, dem temporären Eingriff in das Privateigentum und der Beschädigung des Wettbewerbs, wählen muss sollte man sich für Ersteres entscheiden. Der Vater der Ordnungspolitik, Walter Eucken, stellt ins Zentrum der ihm vorschwebenden Wettbewerbsordnung ein «funktionsfähiges Preissystem vollständiger Konkurrenz».

Das Privateigentum nennt er erst als viertes von sieben Prinzipien. Schweden und seine Behörde Riksgälden haben gezeigt, dass man Banken vorübergehend verstaatlichen kann, um das Vertrauen wieder herzustellen.

Zweitens: Aus ordoliberaler Sicht sind nicht nur Unternehmen ein Problem, die zu gross zum Sterben sind, sondern grosse Unternehmen generell. Sie sind ein Klumpenrisiko. Für grosse Banken gilt das erst recht. Sie erhöhen zudem die Erpressbarkeit des Heimatlandes solcher Unternehmen durch grössere Staaten. Und vor allem verleiht Grösse in der Regel Macht.

BEGRENZUNG JEGLICHER MACHT

Den Architekten der Sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war kein Anliegen wichtiger als die Begrenzung jeglicher Macht, staatlicher, gewerkschaftlicher und wirtschaftlicher. Eine der letzten Vorlesungen Euckens an der London School of Economics im März 1950, kurz vor seinem Tod, galt der wirtschaftlichen Macht.

Für ihn war Macht nicht an sich böse, doch ihr Besitz «provoziert Willkürakte, gefährdet die Freiheit anderer Menschen, zerstört gewachsene und gute Ordnungen». Der Wettbewerb sollte daher nicht nur Effizienz, tiefe Preise und Innovation sichern, sondern auch die Macht begrenzen.

MENSCHLICHES MASS

Die Sympathie für Kleinheit und Dezentralität – in Politik, Wirtschaft und Technik – war vor allem gesellschaftlich motiviert. Es ging um Freiheit, Risikostreuung und menschliches Mass.

Deshalb läuft die heutige Kolumne unter einem schon öfter gebrauchten Titel (aus «Der Traum ein Leben» von Franz Grillparzer). Wie einst zur Fusion von Ciba und Sandoz zu Novartis und dann zur Katastrophe von Fukushima passt er nun zum Entscheid, die grosse UBS durch die Übernahme der CS noch viel grösser zu machen. Man soll Grösse nicht verbieten, muss sich jedoch ihrer Probleme bewusst sein und sie daher sorgfältig einhegen. Sie bietet Chancen, aber sie ist gefährlich.

Gerhard Schwarz war Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion und ist heute Präsident der Progress Foundation.

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